Gefahrenabwehrrecht, „Mietobergrenze ohne Moratorium“ und „Atmender Mietendeckel“

All diese Begriffe hängen mit dem geplanten Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin - auch Mietendeckel - genannt, zusammen. Im Artikel „Die Mietpreisbremse - Effektive Regulierung oder Gaspedal für weitere Mietsteigerungen“ des Newsletters 12/2018, in dem es um die Verlängerung und gleichzeitig um die Verschärfung eines fragwürdigen Instrumentariums zur Eindämmung von Mietsteigerungen in Ballungsgebieten ging, stellte sich bereits die Frage inwiefern die Politik die notwendige Kompetenz für solch maßgebliche Eingriffe in volkswirtschaftliche Prozesse mitbringt.


Nun also der nächste landespolitische Versuch den Marktmechanismus „Angebot und Nachfrage“ auszuhebeln, indem Regularien geschaffen werden, die nur schwer nachzuvollziehen sind. Im Referentenentwurf der Senatsverwaltung (Stand 30.08.2019) für Stadtentwicklung und Wohnen in Berlin findet man zumindest einen Erklärungsversuch. Es folgen ausgewählte Passagen aus dem Abschnitt „Anlass und Ziele“:


1. „…Die weiterhin steigende Nachfrage nach Wohnraum konnte bisher nicht durch eine entsprechende Angebotserweiterung durch ausreichenden Neubau gedeckt werden. Es ist festzustellen, dass der Druck auf Angebots- und Bestandsmieten durch eine gestiegene Renditeerwartung der Eigentümer wächst. Die Wohnungsmarktanspannung verschärft sich in Berlin daher mit der Folge, dass die Mieten stärker als die Einkommen steigen…“


Hier stellen sich u. a. folgende Fragen:

1. Wie kann gewährleistet werden, dass die Nachfrage zukünftig durch Neubau gedeckt wird?

2. Steigen die Mieten nicht bereits seit mehr als 10 Jahren stärker als die Einkommen?


2. „…Ziel der bundesgesetzlichen Regelungen zur Miethöhe für Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt ist es lediglich, eine Entkoppelung der individuell vereinbarten Miethöhen von der Marktentwicklung zu verhindern. Um den weiteren Mietanstieg in Berlin effektiv zu unterbinden, ist darüber hinaus notwendig, auf die Marktentwicklung selbst Einfluss zu nehmen und weitere öffentlich-rechtliche Maßnahmen zur Mietbegrenzung in Berlin zu ergreifen, um dem ungebremsten Mietanstieg entgegenzuwirken und die Bezahlbarkeit der Wohnungen bis zur Entspannung auf dem Wohnungsmarkt zu sichern….“


Auch hier seien Fragen erlaubt:

1. Kann man diese Formulierung so verstehen, dass die Mietpreisbremse (zumindest in Berlin) nicht funktioniert hat, da dadurch ein Mietanstieg nicht verhindert werden konnte?

2. Handelt es sich trotz kompetenzrechtlicher Unterscheidung zwischen privatem und öffentlichem Mietpreisrecht und trotz konzeptioneller Differenz von Mietpreisbremse und Mietendeckel nicht um eine verfassungswidrige Gesetzesvorlage?

Die mögliche Antwort: „Stehen landesgesetzliche Regelungen mit einer bundespolitischen Regelung im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung im Widerspruch, überschreiten sie den dem Landesgesetzgeber belassenen Zuständigkeitsbereich.“ [Zitat aus dem Gutachten "Landeskompetenz zur Einführung eines sogenannten Mietendeckels?"].


3. „…Ein unverzügliches öffentlich-rechtliches Eingreifen in den Berliner Wohnungsmarkt ist erforderlich, um bereits absehbaren Fehlentwicklungen entgegenzusteuern und die Bevölkerung vor allzu raschen Veränderungen der Stadtgesellschaft, umfassenden Verdrängungsprozessen und dadurch bedingten sozialen Verwerfungen zu schützen. Analog zum Gefahrenabwehrrecht ist es notwendig, dass der Staat nicht erst dann tätig werden darf, wenn ein Schaden schon eingetreten ist. Es genügt dort vielmehr, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit dem Eintritt des Schadens zu rechnen ist….“


Folgende Fragestellungen ergeben sich zu dieser Formulierung:

1. Hätte man nicht den absehbaren Fehlentwicklungen viel früher entgegen wirken müssen?

2. Hat der Staat bzw. im konkreten Fall Berlin nicht viel zu spät eingegriffen bzw. durch den Verkauf mehrerer tausend städtischer Wohnungen selbst maßgeblich zu der heutigen Situation beigetragen?


Die Fragestellungen kann Jeder für sich selbst beantworten.


Kritik gibt es vor Inkrafttreten des Gesetzes reichlich. Hier nur stichpunktartig die wichtigsten Aspekte:

- Der Mietendeckel führt zu massiven Investitionshemmnissen.

- Investoren, also Finanzierer und Anleger wollen Geld aus der Hauptstadt abziehen.

- Rechtsgutachten stellen die Rechtmäßigkeit der Senatsverwaltung in Frage.


Eine entscheidende Frage ist außerdem wie es nach 5 Jahren weitergeht, da das Gesetz anschließend außer Kraft gesetzt werden soll! Wahrscheinlich steigen folglich die Mieten mehr oder weniger unkontrolliert oder es wird - ähnlich der Mietpreisbremse - eine Folgeregelung geben, die ebenfalls nicht oder nur bedingt greift, da wieder mal die Symptome bekämpft werden und nicht die Ursache „der Erkrankung“!


Fazit: Durchatmen und Deckel drauf!


Die Begrifflichkeiten aus der Überschrift kurz erklärt:

Gefahrenabwehrrecht

Das Gefahrenabwehrrecht regelt Aufgaben und Befugnisse der Polizei und der Sicherheitsbehörden zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung.

Mietobergrenze ohne Moratorium

Als Alternative zum „Mietendeckel“ ist auch dieses Instrumentarium in der Diskussion. Es handelt sich hierbei um eine regelmäßige Anpassung der festgeschriebenen Mieten entsprechend der Inflationsrate.

Atmender Mietendeckel

Es handelt sich um die Idee des Mietervereins. Bei diesem Modell soll es Mietobergrenzen (nach Wohnungsgröße und -alter) geben. Liegt eine Miete unterhalb der Grenze, darf sie jedes Jahr um 1,5 Prozent steigen, bis die Obergrenze erreicht ist. Liegt die Miete über der Obergrenze, wird sie nicht gesenkt, sondern solange eingefroren, bis sie nicht mehr darüber liegt. Beim atmenden Mietendeckel steigen die Obergrenzen langsam an, etwa um den Index der Lebenshaltungskosten.


Lesen Sie hier den Senatsbeschluss zur Begrenzung der Miethöhen.